Derzeit ist Patrick Ittrich, langjähriger Bundesliga-Schiedsrichter, am Knie verletzt und als Videoassistent statt auf dem Spielfeld im Einsatz. Das hinderte den 46-jährigen Hamburger aber nicht daran, beim SV T.-Bünningstedt, erfolgreicher Teilnehmer des DFB-Punktespiels, in familiärer Atmosphäre über den Job des Unparteiischen zu plaudern und den rund 40 Anwesenden einen Blick hinter die Bundesliga-Kulissen zu geben. Zudem sprach Ittrich mit der Redaktion des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbands.
SHFV: Patrick, Fußball in Schleswig-Holstein – woran denkst du sofort?
Patrick Ittrich: Nicht nur an den VfB Lübeck oder Holstein Kiel, sondern auch an das Derby zwischen dem TSV Kropp und dem Büdelsdorfer TSV, das ich selbst bereits gepfiffen habe. Mein erstes Spiel in der damaligen Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein war im August 2000 beim Heider SV. Zudem bin ich oft bei den Schiedsrichtern des KFV Lübeck zu Besuch. Mit Schleswig-Holstein verbindet mich viel, die Fußballgemeinde hier sind Freunde für mich geworden.
SHFV: Du bist oft bei Events wie diesen hier beim SV T.-Bünningstedt unterwegs. Was bedeutet es Dir, regelmäßig den Kontakt zur Basis zu halten?
Patrick Ittrich: Der Kontakt ist unfassbar wichtig! Wenn es mir zeitlich möglich ist, nehme ich das gerne mit. Das gilt auch für uns Schiedsrichter im Allgemeinen, um das Schiedsrichtergefüge zusammenzuhalten.
SHFV: Viele Fußballer spielen mit dem Gedanken, Schiedsrichter zu werden. Was hat bei dir den Ausschlag gegeben, die Ausbildung zu machen?
Patrick Ittrich: Ich wurde von meinen Freunden gezwungen! Schiedsrichter zu werden, war nie ein Thema für mich, stattdessen habe ich selbst Fußball gespielt. Zwei meiner Teammitglieder haben den Schein gemacht und mich ein Jahr lang überredet, auch die Ausbildung zu absolvieren. Ab dem ersten Spiel war ich dann von dem Job so begeistert, zudem hatte ich das Glück, sehr früh gesichtet worden zu sein.
SHFV: Was hat dich vor allem am Job des Schiedsrichters begeistert?
Patrick Ittrich: Die Art und Weise der Tätigkeit! Das fühlt man erst, wenn man es macht und ist sehr schwer, in Worte zu fassen.
SHFV: Besonders die ersten Jahre, die junge Schiedsrichter nach der Ausbildung erleben, sind prägend. Was würdest du Unparteiischen raten, die am Job des Schiedsrichters zweifeln?
Patrick Ittrich: Man soll aufhören, wenn man es nicht mehr ertragen kann. Das steht außer Frage. Aber ein schlechtes Erlebnis – ich rede hier nicht von körperlicher Gewalt – kann im Leben immer passieren. Dann weiterzumachen, macht dich nur stärker! Man lernt aus diesen Situationen. Wenn man lernt, darüber mit anderen Schiedsrichtern und Vertrauten zu sprechen, kann man es verarbeiten und überwinden…
SHFV: … und daraus wichtige Lehren ziehen!?
Patrick Ittrich: Definitiv! Die Lebensschule der Schiedsrichterei ist einzigartig. In unserer heutigen Welt gehen Kritikfähigkeit und Entscheidungsfreudigkeit verloren, sind aber essenziell. Das gibt dir die Schiedsrichterei in allen Facetten. Wenn man durchhält, hält dich diese Erfahrung ein Leben lang über Wasser.
SHFV: Vor Zehntausenden zu pfeifen, ist sicher anders als in Amateurspielklassen. Was vereint euch Schiedsrichter aber?
Patrick Ittrich: Das Spiel ist dasselbe! So imposant die Stadionatmosphäre in der Bundesliga für mich ist: Wenn ich anpfeife, ist nur noch der grüne Rasen da. Dann bin ich im Tunnel. Und so geht es auch den Schiedsrichtern auf den Amateurplätzen. Und ganz ehrlich? Den Amateurschiedsrichtern gebührt mein voller Respekt. Ein Beispiel: Aus zehn Leuten jemanden herauszuhören, der einen beschimpft, ist manchmal schwieriger als eine grölende Menge gegen sich zu haben.
SHFV: Was müssen junge Anwärter*innen auf jeden Fall beachten?
Patrick Ittrich: Das A und O ist, sich nicht stressen zu lassen und Spaß zu haben. Und sich erlauben, Fehler zu machen! Die Fehler musst du machen, um zu lernen und zu wissen, wie die Schiedsrichterei und das Fußballspielen funktionieren. Auf keinen Fall sollte man sich unter Druck setzen lassen – weder vom Obmann, noch vom Trainer oder wem auch immer.
SHFV: Nicht zuletzt dank des „Jahr der Schiris“ haben wir es geschafft, wieder mehr Schiedsrichter für den Job an der Pfeife zu begeistern. Wie können wir diesen Trend fortsetzen?
Patrick Ittrich: Ein Baum, den man nur einmal gießt, vertrocknet. Es geht um mehr als Kampagnen. Das positive Image der Schiedsrichter – auch dank des „Jahres der Schiris“ – müssen wir weiter fördern, da sind wir alle gefragt. Weiter machen, weiter werben, die Vorzüge herausstellen und die Schiedsrichterei als positive Sportart – denn das ist sie für mich – klar benennen!
Foto: Kai Schwarmayr / SVTB