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„Wir spielen und lieben alle den gleichen Sport“

Interview mit Schleswig-Holsteins Fußballerin des Jahres 2022 Nicole Ebsen

 

Nicht nur für ihr Team, auch für Nicole Ebsen persönlich war die Spielzeit 2022/23 eine besondere: Neben der Vizemeisterschaft mit dem SV Frisia 03 Risum-Lindholm gewann die gelernte Physiotherapeutin auch die Wahl zu Schleswig-Holsteins Fußballerin des Jahres. Im Interview äußert sich Ebsen zu ihrem Werdegang sowie zur Lage des Frauenfußballs im Allgemeinen und in Nordfriesland.

Inwieweit hat dich Fußball hinsichtlich deiner Charaktereigenschaften geprägt?

Ich würde sagen, dass der Fußball mich zu dem Menschen gemacht hat, der ich heute bin. Bevor ich mit Fußball angefangen habe, war ich sehr schüchtern und zurückhaltend. Durch den Fußball habe ich gelernt, wie man Verantwortung übernimmt und im Laufe der Zeit habe ich durch diese Verantwortung auf dem Platz immer mehr Selbstbewusstsein erlangt. Des Weiteren hat der Fußball meine Sozialkompetenzen gestärkt und somit den Grundstein für meine Berufswahl als Physiotherapeutin gelegt.

Hast Du einen Tipp für junge Spielerinnen, die vor dem Sprung aus der Jugend in den Seniorinnenbereich stehen?

Ich würde den jungen Spielerinnen sagen, dass es kein leichter Schritt ist. Der Sprung aus der Jugend in den Frauen-Bereich ist groß, man sollte ihn definitiv nicht unterschätzen. Im Frauen-Bereich wird der Fußball körperbetonter und taktisch versierter durch die Erfahrung der älteren Spielerinnen. Aber man sollte auf keinen Fall Angst vor diesem Schritt haben. Die Spielerinnen sollten mit viel Mut, Selbstbewusstsein und Leichtigkeit starten. Wichtig ist hierbei, dass sie sich trotzdem die nötige Zeit geben, um sich weiterzuentwickeln. Es kann nicht immer alles sofort funktionieren und man muss auch mal Rückschläge einstecken, aber aus denen lernt man. Ein kleiner Tipp von mir: Hört euren Trainern und Mitspielerinnen immer gut zu, wenn sie euch Tipps oder Ratschläge geben. Nehmt diese an und versucht sie umzusetzen, denn nur, wenn man bereit ist etwas zu verändern und zu lernen, kann man eine bessere Fußballerin werden.

Wie sehr wurmt es dich, dass Fußballspielerinnen nicht dasselbe Standing haben wie die männlichen Kollegen?

Wenn ich ehrlich antworten soll, wurmt es mich natürlich ein wenig, da die weiblichen Fußballerinnen genauso viel Aufwand betreiben wie die männlichen Kollegen – wenn nicht sogar noch mehr, da im Profifußball die meisten Fußballerinnen nebenher noch studieren und sich somit ein zweites Standbein aufbauen. Ich denke, wir sind inzwischen in einer Zeit angekommen, in der beide Geschlechter ein gleiches Standing haben sollten. Ich kann es jedoch auch nachvollziehen, dass der männliche Fußball momentan noch ein höheres Standing hat. Diese Branche ist von unfassbar viel Geld geprägt und somit für die Unternehmen, die investieren wollen, lukrativer.

Wie nimmst Du in Sachen Aufmerksamkeit und Stellenwert des Frauenfußballs die aktuelle Bewegung wahr?

Sehr positiv! Im vergangenen Jahr ist viel Erfreuliches passiert. Der Frauenfußball hat regional, national und sogar international großen Zuspruch bekommen. Viele große Bundesligavereine investieren in Frauenmannschaften, wie zum Beispiel Eintracht Frankfurt in den FFC Frankfurt. Andere gründen neue Frauenteams, wie zum Beispiel Borussia Dortmund oder der FC Schalke 04. Der Zuschauerschnitt ist in der Frauen-Bundesliga um das Dreifache gestiegen und im Camp Nou in Barcelona haben sogar 91.553 Zuschauer den Weg zu einem Frauenspiel gefunden. Das sind wahnsinnige Entwicklungen, die man vor zwei, drei Jahren so nicht erwartet hat. Selbst hier bei uns in der Region in Nordfriesland ist im letzten Jahr einiges passiert. Der Frauenfußball rückt inzwischen viel mehr ins Rampenlicht. Es werden immer mehr Zeitungsberichte veröffentlicht, teilweise sogar mit großen Bildankündigungen. Die Zuschauerzahlen steigen auch hier vor Ort an und es wird immer mehr über den Frauenfußball geredet. Ich bin gespannt, wie es in Zukunft weitergeht, auch in Bezug auf die anstehende Frauen-WM.

Würdest Du Dir mehr Unterstützung und Zusammenhalt aus dem Männerfußball wünschen?

Ja, definitiv, denn wir spielen und lieben ja alle den gleichen Sport – Fußball. Ich bin der Meinung, dass man gemeinsam immer mehr erreichen kann. Gegenseitige Unterstützung kann sehr viel Spaß machen und in jedem Team neue Kräfte freisetzen. Ein starker Zusammenhalt im gesamten Verein macht jede Mannschaft stärker!

Welche Highlights aus deiner bisherigen Fußballkarriere hast du in besonderer Erinnerung?

Als erstes fällt mir da die Teilnahme beim Dana-Cup 2011 in Hjörring ein. Da habe ich als 13-jährige in der U16 mitgespielt und wir sind in der A-Finalrunde Dritter geworden. Das war ein unfassbar tolles Turnier mit einem unglaublichen Verlauf. Ich würde jeder Fußballerin empfehlen, mal zu diesem Turnier zu fahren. Man erlebt und lernt da verdammt viel. Ein weiteres Highlight war der Double-Sieg 2017 – wir sind Verbandsligameister und Kreispokalsieger binnen einer Woche geworden und somit in die Oberliga aufgestiegen. Mein absolutes Highlight war jedoch die aktuelle Saison. Wir haben in dieser Saison kein einziges Spiel verloren und sind somit ungeschlagen Vizemeister der Oberliga geworden, womit niemand von uns gerechnet hätte. Ohne diese unglaubliche Teamleistung wäre meine Ehrung also gar nicht erst möglich gewesen! Wenn ich so in die Vergangenheit zurückblicke, war jede Saison geprägt von absoluten Highlights. Ich hatte in meiner bisherigen Fußball-Laufbahn unfassbar tolle Trainer, die es mir/uns ermöglicht haben viele gemeinsame Fahrten zu erleben. Wir waren in Bayern, Berlin, Rostock, Bremerhaven, Dortmund, Hamburg, Dänemark etc.